Nachdem ich Euch in meinem letzten Beitrag die Atemmeditation vorgestellt habe, möchte ich Euch heute einladen, den “Bodyscan” kennenzulernen.
Der Bodyscan ist keine Entspannungsübung. Es ist eine Meditationspraxis, bei der es darum geht, die Aufmerksamkeit zu schulen, indem man sich seinen Körperempfindungen bewusst wird.
Durch den Bodyscan lernen wir, wieder in Verbindung zu unserem Körper zu gelangen. Jeder Gedanke und jede Emotion stehen in Wechselwirkung zu unserem Körper. Der Bodyscan ermöglicht es, sich diesem Wechselspiel offen und wertungsfrei bewusst zu werden. Dies ermöglicht es uns, Körperempfindungen und Denken voneinander zu trennen, was dazu führen kann, dass wir den Kreislauf des Grübelns und Unfriedens tief in uns durchbrechen können. Hierdurch können wir uns von den Fesseln negativer Gedankenkreisel lösen.
Dies kann im Leben, aber auch im Sport, wo es um das Abrufen von Leistung geht, dazu führen, dass negative Gedanken uns nicht mehr von unseren Zielen ablenken und wir uns so auf das Ziel besser konzentrieren können. Gerade auf den Ultradistanzen, wo ich unterwegs bin, kommt man an den Punkt, wo einen komische Gedanken in den Sinn kommen: Wozu mache ich das überhaupt? Es tut doch alles weh? Das macht doch keinen Sinn? Genau an diesem Punkt ist es hilfreich zu erkennen, dass dies nur Gedanken sind. Wir können unsere Gedanken aber steuern, und das macht uns mental stärker.
Genauso wichtig ist es aber auch, zu erkennen, wenn es wirklich keinen Sinn macht weiterzulaufen. Wir müssen lernen, in uns hineinzuhorchen und zu spüren, was ist gut für uns und was ist schlecht für uns. Und wenn es mal nicht gut läuft, dann erkennen wir auch, dass dies kein Beinbruch ist und die Welt davon nicht untergeht.
Es geht beim Bodyscan nicht darum, sich etwas vorzumachen. Du wirst sehen, dass Du Dich auch den unangenehmen Empfindungen Deines Körpers stellen musst. Aber es ist ein Gewinn für Geist und Seele.
Aber nun genug mit dem Vorgeplänkel. Jetzt geht´s ans Eingemachte 🙂
Praktischer Teil:
1. Der Bodyscan ist eine Meditationspraxis, die im Liegen ausgeführt wird. Mach es Dir so bequem wie möglich. Nimm eine weiche Unterlage, ein Kissen und bei Bedarf eine Decke. Lege Dich, wenn möglich, aber nicht ins Bett. Unser Organismus verbindet das Bett mit dem Schlafen, so dass es vorkommen kann, dass Du dort einschläfst. Dies ist auch generell die Gefahr bei der Übung. Vor allem als Anfänger kann dies schnell passieren. Sollte das so sein, dann darfst Du die Übung auch im Sitzen durchführen. Es gibt auch hier kein “Richtig” und kein “Falsch”.
2. Setze Dich nicht unter Druck, erfolgreich zu sein. Es geht hier nicht darum, etwas bestimmtes zu erreichen. Du sollst einfach das “Sein” erleben.
3. Möglicherweise wirst Du unangenehme Körperempfindungen wahrnehmen oder sogar auch Schmerzen spüren. Erlaube diesen Empfindungen, da zu sein. Dies ist eine Übung in Geduld und liebevoller Aufmerksamkeit, was dazu führt, dass wir bei uns bleiben können, so wie es gerade ist, anstatt dem bisherigen Stressmechanismus zu folgen. Wir flüchten nicht und wir kämpfen nicht dagegen an.
4. Es ist auch vollkommen ok, wenn Du gar nichts spürst. Versuche dann trotzdem mit der Aufmerksamkeit bei dem jeweiligen Körperteil zu sein. Manchmal wirst Du auch ein Kribbeln spüren. Das ist vollkommen normal.
5. Wenn Du Dich hingelegt hast, schließe die Augen und beobachte die Bewegung Deines Atems. Nimm langsam Kontakt zu Deinem Körper auf und spüre zunächst einfach in Dich hinein. Nimm Deine Position wahr. Welche Körperregionen berühren den Boden? Wo ist es härter, wo weicher?
6. Führe nun wieder die Aufmerksamkeit auf den Atem. Wie sich die Bauchdecke hebt und wieder absenkt. Der Luftstrom am Eingang der Nasenlöcher oder auch in der Luftröhre. Folge diesen Empfindungen eine Weile und komme zur Ruhe. Wenn Du bemerkst, dass Du mit Deinen Gedanken abschweifst, dann führe Deine Aufmerksamkeit langsam, in freundlicher Haltung, aber entschieden zurück zum Spüren des Atems.
7. Wenn Du mit Deinem Atem verbunden bist, richte Deine Aufmerksamkeit in einer freundlichen und liebevollen Haltung zu Deinem linken Fuß. Konzentriere Dich auf Deinen Fuß, atme in ihn hinein. Sei der Qualität der Empfindungen, die Du dort vorfindest, präsent. Spüre Deine Zehen, die Fußsohle, den Fußrücken, die Ferse. Welche Empfindungen spürst Du? Wärme, Kälte, Taubheit, ein Kribbeln, Druck, Schwere…? Vielleicht spürst Du auch nichts. Das ist vollkommen ok. Spüre einfach den Moment und das, was da ist, auch wenn es nichts ist. Sei einfach da im “Hier” und “Jetzt”.
Versuche mit jeder Empfindung mitzuatmen. Nimm den Fuß schließlich als Ganzes wahr. Verweile dort ein wenig. Erlaube alles, was da ist, da zu sein, so wie es gerade ist, ohne zu bewerten oder gar abzulehnen.
8. Nimm einen tiefen Atemzug und gehe beim Ausatmen mit Deiner Aufmerksamkeit hoch zum linken Unterschenkel. Was spürst Du in der Wade oder am Schienbein? Spürst Du vielleicht den Stoff Deiner Hose? Spürst Du Wärme oder Kälte? Lass alles zu, was Du spürst. Erlaube da zu sein, was ist, ohne Bewertung oder Ablehnung.
9. Gehe nun nach dem nächsten Ausatmen zu Deinem linken Knie und spüre auch hier hinein. Was nimmst Du wahr? Geht es ihm gut oder sind Schmerzen vorhanden? Erlaube auch hier, alles da zu sein, was in dem jeweiligen Moment da ist. Auch wenn Du nichts spürst, ist das völlig in Ordnung. Sei einfach mit einer freundlichen, liebevollen und interessierten Haltung bei Deinem linken Knie.
10. So gehst Du nun weiter durch den restlichen Körper. Nimm immer eine freundliche und liebevolle Haltung ein und bewahre sie bei der gesamten Übung. Verweile jeweils immer für einige Momente bei dem jeweiligen Körperteil und atme in die Empfindungen hinein. Nimm das an, was ist, ohne Wertung oder Ablehnung.
11. Gehe also nun zum linken Oberschenkel, danach zum rechten Fuß, dem rechten Unterschenkel, dem rechten Knie, dem rechten Oberschenkel. Von dort in den Beckenraum, in die Genitalien, dem Gesäß und den Hüften. Gehe vom Beckenraum über den Lendenwirbelbereich hoch zum oberen Rücken. Vom oberen Rücken zum Brustraum und dann runter zum Bauchraum. Von dort dann zu den Händen, Fingern, Daumen, Handflächen und Handrücken. Nun zu den Unterarmen, Ellenbogen und Oberarmen. Alles Schritt für Schritt. Setze Dich nicht unter Druck. Du hast alle Zeit der Welt. Gehe von den Oberarmen in den Schulterbereich, in den Nacken bis hoch in den Kopf, wo Du zunächst Deinem Gesicht volle Aufmerksamkeit schenkst. Kinn, Lippen, Nase, Augen, Stirn. Weite die Aufmerksamkeit schließlich auf den ganzen Kopfraum aus.
12. Wenn Du den ganzen Körper abgetastet hast, weite Deine Aufmerksamkeit auf den gesamten Körper aus. Spüre den Atem, wie er in Deinen Körper hinein- und wieder hinausströmt. Nimm die Empfindungen wahr und atme mit Deinen Empfindungen. Nimm danach langsam wieder Kontakt zu Deiner Umwelt auf und öffne Deine Augen. Bleib ruhig noch einige Moment liegen und sei einfach Du selbst.
Du wirst bei dieser Übung gemerkt haben, dass es nicht immer leicht ist, seine Aufmerksamkeit beizubehalten. Der Geist hat die Angewohnheit, immer umherzuschweifen. Es ist also vollkommen in Ordnung, wenn das vorkommt. Wichtig ist nur, dass Du Deine Aufmerksamkeit immer wieder langsam und liebevoll zu Deinem jeweiligen Körperteil zurückführst.
Sei nicht zu streng mit Dir, wenn es mal nicht so geht, wie Du es Dir vorstellst. Es gibt keinen Erfolg, der herbeigeführt werden muss. Und auch erfahrene Meditationslehrer haben es nicht immer leicht. Der Geist ist ein unstetes Wesen. Aber Du wirst merken, dass der Geist ruhiger wird. Dies wird neue Ressourcen freisetzen.
In der nächsten Woche kommt auch eine neue Übung. Seid gespannt.
Euer
Thorsten