Achtsamkeitsmeditation auf den Atem

Ich hatte Euch vor ein paar Wochen über meinen achtsamen Weg für das Jahr 2015 erzählt und möchte Euch nun auch praktisch an meinem Weg teilhaben lassen. Ich werde an dieser Stelle nun wöchentlich verschiedene Meditationstechniken vorstellen, mit welchen ich Achtsamkeit in meinem Leben kultiviere.

Ich nutze die Meditation auch als mentales Training für mein großes Vorhaben in 2015: Die Neanderrallye über 240km nonstop.

Ich möchte in dieser Woche damit anfangen, Euch die Achtsamkeitsmeditation auf den Atem vorzustellen. Hierbei orientiere ich mich an den Anleitungen von Jon-Kabat Zinn, dem Begründer des MBSR-Programms (Mindfullness-based-stress-reduction).

Warum Achtsamkeitsmeditation auf den Atem?

Ganz einfach: Der Atem ist der einfachste Zugang zur Meditation. Ich möchte dies kurz erläutern.

Die Praxis, sich auf den Atem zu konzentrieren, wird seit mehr als 2.500 Jahren jeden Tag irgendwo auf der Welt befolgt. Der Atem dient als Grundlage für die Praxis der Meditation in den verschiedensten Kulturen. Er erlaubt es uns, sich immer wieder mit dem gegenwärtigen Moment zu verbinden. Er ist immer bei uns, egal wohin wir gehen und egal, was wir tun.

Durch die Ausrichtung der Achtsamkeit auf den Atem können wir lernen, im Hier und Jetzt vollkommen präsent zu sein. Wir können den Atem nur in dem Augenblick wahrnehmen, in dem er stattfindet. Durch die Beobachtung des Atems können wir uns stets ins Hier und Jetzt zurückholen und den gegenwärtigen Moment wahrnehmen. Man wird immer wieder feststellen, dass der Geist rastlos ist und dazu neigt, abzudriften. Durch die Atemmeditation holen wir uns zu dem gegenwärtigen Moment zurück.

Es ist nicht einfach, den Fokus der Aufmerksamkeit auf den Atem zu halten, während der Geist von Gedanken, Gefühlen, Körperempfindungen oder äußeren Geschehnissen abgelenkt wird. Die Meditation dient nicht dazu, diese Gedanken, Emotionen etc. zu bekämpfen; nein, wir werden lernen, diese Vorgänge zu akzeptieren mit einer freundlichen und wohlwollenden Haltung. Es geht darum, zu sehen, was der Geist tut. Gedanken sind immer da. Aber es sind nur Gedanken. Mehr nicht. Gedanken sind keine Tatsachen. Während der Meditation lernt man, das Kommen und Gehen der Gedanken zu beobachten. Man muss sich das wie Wellen auf der Oberfläche eines Gewässers vorstellen. Diese kommen und verschwinden aber auch ebenso schnell wieder. Durch diese Beobachtungen kommt der Geist zur Ruhe und es kann sogar zu einer Gedankenstille kommen. Allerdings benötigt man hierzu sehr viel Übung.

Es geht bei der Meditation nicht darum, irgendeinen bestimmten Zustand zu erreichen. Nur das Hier und Jetzt ist wichtig. Man lernt, den Autopiloten abzuschalten, sich vom Tun zu lösen und das Sein im jeweiligen Moment zu erkunden.

Dies führt zu Ruhe und innerer Gelassenheit, welche zur Stressreduktion führen kann.

Aber nun zum praktischen Teil:

1. Richte Dich in einer bequemen Sitzposition ein. Du musst Dich dafür nicht in den Lotussitz begeben. Das werden auch die wenigsten schaffen. Du darfst also ruhig einen Stuhl benutzen. Achte aber auf eine gerade Lehne. Ansonsten setze Dich auf den Boden, wo das Gesäß durch ein Kissen oder eine Meditationsbank unterstützt wird. Wenn Du einen Stuhl benutzt, stell die Füße flach auf den Boden. Versuche möglichst so zu sitzen, dass sich Deine Wirbelsäule aus eigener Kraft aufrecht hält. Experimentiere einfach mit verschiedenen Positionen. Es gibt nicht die “richtige” Position.

2. Lass Deinen Oberkörper in eine aufrechte, würdevolle und bequeme Haltung kommen und schließe die Augen. Wenn sich das nicht angenehm anfühlt, kannst Du die Augen auch geöffnet halten und den Blick ca. 1,50 m auf den Boden fallen lassen, ohne jedoch etwas zu fixieren.

3. Richte nun Dein Gewahrsein auf Deine körperlichen Empfindungen. Wo berührt mein Körper die Sitzfläche? Wie fühlt sich das an? Ist Druck an den Stellen groß oder nicht? Nimm Dir ein, zwei Minuten Zeit, Deine Körperempfindungen wahrzunehmen, so wie sie sind, ohne sie mit schlecht oder gut zu beurteilen.

4. Richte nun Deine Aufmerksamkeit auf den Atem. Beobachte Deinen Bauchraum, während der Atem in den Körper ein- und wieder herausströmt.

5. Richte nun Dein Gewahrsein auf die sanfte Empfindung des Dehnens, wenn sich die Bauchwand bei jeder Einatmung weitet und auf die Empfindungen des Loslassens. Bleib so gut es geht bei den wechselnden Empfindungen im Bauchraum und nimm auch die möglichen Pausen zwischen Einatmung und Ausatmung wahr. Du kannst auch Deine Aufmerksamkeit auf eine andere Region in Deinem Körper richten, wo Du Deinen Atem beobachten kannst, z.B. die Nasenlöcher und vielleicht auch die Luftröhre. Fühle dort z.B. den Wärmeunterschied, wenn die Luft in die Nase hinein- und wieder hinausströmt. Du kannst möglicherweise Kühle in Deiner Luftröhre beim Einatmen beobachten. Versuche, alle Wahrnehmungen bei Deinem Atem zu behalten.

6. Du musst Deine Atmung nicht auf irgendeine Weise kontrollieren. Lass Deinen Körper von selbst atmen. Du wirst vielleicht bemerken, dass Dein Atem von selbst langsamer wird. Aber selbst, wenn das nicht geschieht, ist das auch ok. Diese Einstellung des Zulassens solltest Du auch in Deinem übrigen Erleben kultivieren. Es muss nichts verbessert werden; es muss auch kein bestimmter Zustand erreicht werden. Gib Dich einfach der Erfahrung hin, so wie es ist ohne etwas anders haben zu wollen.

7. Du wirst nun früher oder später bemerken, dass Dein Geist von dem Fokus auf den Atem abschweift und sich in Gedanken und Tagträumen verliert oder einfach nur so umherschweift. Was immer auch passiert, das ist vollkommen in Ordnung. Dieses Abschweifen und Sich-Verlieren ist nun einmal das, was der Geist macht. Es ist kein Fehler oder gar Versagen, wenn das geschieht. Ganz im Gegenteil. Wenn Du bemerkst, dass Du abschweift, bist Du schon wieder achtsam und erkennst, dass Dein Geist abgedriftet ist. Erkenne das, nimm es wahr und führe Deine Achtsamkeit ganz sanft zurück zu Deinem Atem.

8. Ganz gleich, wie oft Dein Geist abschweift, und das wird immer und immer wieder passieren, nimm das jedes Mal zur Kenntnis und erkenne, wohin Dein Geist abgewandert ist. Bring Deinen Geist wieder sanft zu den Empfindungen des Atems zurück und fang wieder an, auf die wechselnden Empfindungsmuster der Ein- und Ausatmung zu achten.

9. Bring so gut Du kannst eine gütige und wohlwollende Einstellung in den Gewahrsam. Nutze das Abschweifen des Geistes als Gelegenheit, mehr Geduld und Akzeptanz zu kultivieren und ein gewisses Mitgefühl für das eigene Erleben zu entwickeln.

10. Ich möchte noch einmal betonen. Es geht nicht darum, etwas Bestimmtes zu erreichen. Es geht darum, den Moment wahrzunehmen so wie er ist und sich dieser Erfahrung bewusst zu machen. Wenn Dein Geist abschweift, nutze Deinen Atem als Anker, um wieder ins Hier und Jetzt zurückzukehren. Sei in diesem Moment und stelle Kontakt her zu genau diesem Atemzug und erfahre seine Empfindungen.

Die Achtsamkeit auf den Atem ist die Grundlage für weitere Meditationstechniken. Ich hoffe, ich konnte Euch einen ersten Einblick darüber geben, wie ich angefangen habe, mehr Achtsamkeit in meinem Leben zu kultivieren.

In der nächsten Woche werde ich dann den “Body-Scan” vorstellen.

Ich werde Euch auch in den nächsten Wochen berichten, wie sich die Meditation als mentale Stütze auf mein Laufen auswirkt.

Ich will schließlich noch darauf hinweisen, dass Achtsamkeit kein Wundermittel ist. Es kann die Anschauung aufs Leben und auf das Miteinander beeinflussen. Ich habe bislang sehr viel positive Erfahrung mit Meditation und auch Yoga erfahren, so dass ich auch mittlerweile dazu übergegangen bin, diese Erkenntnisse in mein Personal Training zu integrieren. Man muss den Körper als Ganzes betrachten und da darf man den Geist nicht aus den Augen lassen.

Ich freue mich darauf, Euch weiterhin auf meine achtsame Reise zu nehmen.

Euer

Thorsten