Ich hab´s getan. Ich habe abgesagt.
Wie fühle ich mich dabei, diese Worte zu schreiben?
Ich fühle mich gut. Sogar sehr gut.
Ich weiß noch, dass ich vor kurzem gesagt habe, ich warte die OP ab und schaue, wie der Heilungsprozess verläuft. Und nach einer Woche kann ich sagen, dass er bislang sehr gut verläuft. Das Knie ist kaum noch geschwollen und ich kann wieder relativ normal gehen und auftreten. Der Arzt und die Physio sind sehr zufrieden. Und der Arzt meinte sogar selbst, dass es möglich wäre, dass ich bei der TTdR dabei sein könnte. Alles sieht also sehr gut aus.
Also warum habe ich mich entschieden, abzusagen anstatt noch etwas zu warten?
Nun, eigentlich ist die Antwort gar nicht so kompliziert. Ich will meinem Knie einfach Zeit geben. Ich möchte dem Knie einfach die Chance geben, vernünftig zu heilen.
Ich habe in den letzten Wochen gemerkt, wie sehr ich mich damit unter Druck gesetzt habe, nach der OP möglichst wieder schnell ins Training einsteigen, um an der TTdR teilzunehmen. Dies hat mich sehr gestresst. Insbesondere hatte ich für diese TTdR ein sehr ambitioniertes Ziel. Ich wollte die TTdR in unter 30 Stunden laufen.
Die Knie-OP und die nun dazugehörige Laufpause reißen mich ordentlich aus meinem Trainingsplan. Selbst wenn ich in 2-3 Wochen wieder ins Training einsteigen kann, so ist doch ungewiss, wann ich die langen Läufe wieder angehen kann. Und die langen Läufe werden jetzt so langsam sehr wichtig.
Daher musste ich mir immer wieder die gleichen Fragen stellen.
Muss ich jetzt wirklich mit Gewalt an meinem Vorhaben festhalten? Muss ich mit aller Gewalt gegen meinen Körper arbeiten? Und selbst wenn ich jetzt sagen würde, ich wolle nur ankommen, muss ich mich dermaßen dafür unter Druck setzen?
Die Antwort ist ganz klar: Nein!
Zumindest für mich ist diese Antwort klar und eindeutig.
Die Gesundheit ist mir wichtiger. Ich möchte noch sehr lange und sehr weit laufen. Daher möchte ich dem Knie nun die Möglichkeit geben, in einem vernünftigen Maße zu heilen und sich zu erholen.
Nichts ist es Wert, dass ich dies gefährde. Insbesondere durch zu frühe, zu starke Trainingsbelastung. Ich verdiene mit dem Laufsport kein Geld. Es ist Spaß. Spaß am Laufen. Spaß am langen Laufen. Der Spaß soll auch weiter Spaß bleiben und nicht unter Druck kaputt gehen.
Muss man immer zeigen, dass man in möglichst kurzer Zeit wieder ultralange Läufe laufen kann? Ist es das Wert, sich zu schinden, obwohl man weiß, dass es gerade nicht gut ist? Ist es gut, nicht auf den Körper zu hören?
Ich denke nicht.
Ich bin einfach nur dankbar, dass ich so weit und so lange laufen kann. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Ich bin dankbar, diesen wundervollen Sport ausüben zu dürfen. Und da gehört es auch dazu, auf sich und seinen Körper zu hören.
Wir alle, die diesen Sport ausüben können, sollten dankbar sein, dass wir das tun können, was wir lieben.
Was höre ich, wenn ich in mich hineinhorche?
Mein Körper und mein Geist sagen mir gerade: Nimm diese Auszeit. Lass Dir Zeit. Es wird noch so viele schöne Läufe geben und es gibt einfach noch so viel zu entdecken. Mach Dir keinen Druck. Die Pause tut gerade sehr gut und es ist schön, Zeit für andere schöne Dinge zu finden.
Ja, das Leben hat noch so viel mehr zu bieten als nur „Laufen“. Ich freue mich daher, diese Zeit dafür zu nutzen, Interessen, denen ich lange nicht nachgekommen bin, wieder einen Raum zu geben.
Es tut mir gerade gut, dass ich mir diesen Druck genommen habe. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich das einmal sage, aber es ist so. Ich freue mich auf diese Laufpause.
Aber mehr freue ich mich, wenn ich mit neuer Kraft und neuen Plänen zurückkomme. Und Pläne habe ich. Ich überlege gerade, im Oktober an einem 48-Stundenlauf in der Schweiz teilzunehmen. Aber mein Herzensprojekt werde ich im nächsten Jahr wieder angehen. Ich werde wieder für die Stiftung Deutsche Depressionshilfe nach Leipzig laufen.
Alles Pläne, die schon jetzt motivieren.
Ich liebe das Laufen, aber nicht um jeden Preis. Das Leben bietet so viel Schönes. Danke, dass ich an diesem Leben teilhaben darf.
Eurer Thorsten